Schon während ihrer Schulzeit wollte Gabriele Schleuning Psychiaterin werden. Und als Studentin war sie so entsetzt über die Verhältnisse, die sie damals, in den frühen 70er Jahren, in den psychiatrischen Krankenhäusern vorfand, dass sie als junge Ärztin beschloss, die menschenunwürdigen Zustände in diesen Verwahranstalten für psychisch kranke Menschen zu verändern.
Mit Beharrlichkeit und Unerschrockenheit ist ihr das gelungen, und als sie schließlich im neu eröffneten Atriumhaus ›, einer psychiatrischen Krisen-Institiution in der Münchner Innenstadt, den Job der Chefärztin erhielt, wurde das für sie »der Himmel auf Erden, was die Arbeit in der Psychiatrie angeht«.
Ruhestand bedeutet für Gabriele Schleuning nicht Ruhen
Seit einiger Zeit ist Gabriele Schleuning zwar im Ruhestand, doch Ruhe war nie und ist auch heute nicht ihr Ding. Neben ihren vielseitigen privaten Interessen engagiert sie sich weiterhin leidenschaftlich für Fragen rund um die Psychiatrie und schreibt Bücher zum Thema.
So freuen wir uns, dass sie bereit war, uns im Café eigenleben zu einer Bilderreise, begleitet von Texten aus ihrem neuen Buch Was ist genial? Was ist verrückt? mitzunehmen.
Musikalisch begleitet wurde sie dabei vom Duo Vadana mit Rich Laughlin (Trompete) und Thomas Bogenberger (E-Bass).
Viele berühmte Namen kamen in Schleunings Reise vor
Auf dieser fesselnden und zugleich lehrreichen Reise berichtete die Autorin von ihren Begegnungen mit dem psychiatrisch etikettierten Wahnsinn ebenso wie mit Strömungen und Erscheinungsformen von Kunst, die provoziert.
Wir lernten zum Beispiel Ernst Herbeck kennen, den schizophrenen österreichischen Dichter, der Heinar Kipphardt zu seiner Kunstfigur Alexander März inspirierte; die Berliner surrealistische Schriftstellerin und Zeichnerin Unica Zürn ›› , die unter paranoider Schizophrenie litt, sowie Franco Basaglia ››, den italienischen Psychiater, dem es gelang, dass 1978 im italienischen Parlament das Gesetz für die Reform der Psychiatrie verabschiedet wurde, die zum Beispiel die Abschaffung der psychiatrischen Anstalten zur Folge hatte.
Sie sprach außerdem über die französischen Philosophen Michel Foucault und Gilles Deleuze und über Hans Prinzhorn, dem deutschen Psychiater und Kunsthistoriker, der sich als einer der Ersten wissenschaftlich mit den Bildern psychisch Kranker beschäftigt hat und dem wir die berühmte Sammlung Prinzhorn ›› in Heidelberg verdanken
Auch Max Ernst und die Kunst des Dada, Jean Dubuffet, der Begründer der Art brut, einem Sammelbegriff für die Kunst von gesellschaftlichen Außenseitern, Josef Beuys mit seinem Zitat »Jeder Mensch ist ein Künstler« und viele weitere bedeutende Namen kamen in Schleunings Reise vor: sie präsentierte uns eine Fülle von Bildern und Informationen, lebendig und packend vorgetragen und unterbrochen von der auf reizvolle Weise ungewöhnlichen, teils auch schrägen Musik des Duo Vadana.
Es war ein lehrreicher und spannender Abend, der das zahlreich erschienene Publikum nach dem Vortrag zu lebhaften Diskussionen angeregt hat.