Als meine Kinder klein waren, kauften wir ihnen ein Meerschweinchen. Eigentlich hatten sie sich eine Katze gewünscht, aber da ich auf Katzenfell allergisch reagiere, kam das leider nicht in Frage. Der Gedanke war, ein Meerschweinchen ist kuschelig und süß und dabei so klein, dass das bisschen Fell bestimmt kein Problem für mich sein wird.
Anfangs ging auch alles gut: Muschi zog bei uns ein, blond gelockt, niedlich, relativ pflegeleicht. Sie hatte freien Auslauf und wetzte den ganzen Tag durch die Wohnung, immer an der Wand lang – vielleicht, um sich vor potenziellen Raubvögeln zu schützen.
Nach einigen Monaten hatte sie auf diese Weise wohl so viel allergenes Material in der Wohnung verteilt, dass ich dann leider doch reagierte. Und schweren Herzens und unter vielen Tränen haben wir sie an Freunde verschenkt.
Wir haben viele Fehler gemacht
Das ist inzwischen mehr als vierzig Jahre her, und dass wir damals viele Fehler gemacht haben, habe ich erst vor ganz kurzem verstanden.
Und das kam so.
Max ist einer unserer Stammgäste im Café eigenleben. Vor einiger Zeit kamen wir zum Thema Haustiere ins Gespräch und Max erzählte folgende Geschichte:
Vor mehreren Jahren fühlte er sich beruflich sehr überlastet und er beschloss, eine Auszeit zu nehmen. Und er hatte eine Idee zur Selbsttherapie: »Ein nettes flauschiges Tierchen in der Wohnung beruhigt und nimmt Stress raus«.
Die Wahl fiel auf Meerschweinchen, denn »mit Hunden muss man dauernd raus und Katzen zerkratzen die Möbel«.
Er hat sich also in einem Zoogeschäft zwei Meerschweinchen gekauft. Zwei, weil er wusste (was für mich tatsächlich ganz neu war): »Meerschweinchen sind sehr soziale Tiere. Sie leben in großen Gruppen zusammen, wenn man sie einzeln hält, vereinsamen sie. Sie werden verhaltensgestört und sterben früh. Sie sind auch keine Streicheltiere. Deshalb sind sie eigentlich gar nicht für kleine Kinder geeignet.«
Hm, dann haben wir damals schon ziemlich viel falsch gemacht. Aber weiter.
Paula ging es nicht gut
Paula und Putzi, so nannte Max seine neuen Mitbewohnerinnen, waren Schwestern. Er hat sich viel um sie gekümmert und sie sind sehr zahm geworden. Jede hatte ihren eigenen Stall, den sie jederzeit verlassen konnte, und im Wohnzimmer durften sie frei herumlaufen.
Doch eines Tages wollte Paula nicht mehr fressen und es war klar, dass es ihr nicht gut ging. Putzi legte ihr zwar Gemüsestückchen vor die Hütte, die sie dann auch nahm, aber insgesamt gab sie ein Bild des Jammers ab.
Der Tierarzt tippte auf Blasenentzündung, verordnete Schmerzmittel und Wärme. Paula bekam eine Rotlichtlampe vor den Stall, durfte in Tücher gewickelt auf einer Wärmflasche liegen, bekam Tabletten, die nicht einfach zu verabreichen waren – nichts half auf Dauer.
Eine echt bemerkenswerte Leistung!
Max erzählt: »Eines Nachts werd ich von einem Quietschen und Scharren vor meiner Schlafzimmertür geweckt. Ich seh nach, und da ist Putzi und schaut mich an wie ein Hund. Sie war noch nie außerhalb vom Wohnzimmer, und es ist mir bis heute ein Rätsel, wie sie den Weg durch den Flur bis zu meiner Schlafzimmertür gefunden hat. Wie sie überhaupt gemerkt hat, dass sie Hilfe holen muss und wo sie sie findet.«
Denn Putzi ist dann vor ihm hergelaufen bis zur Hütte ihrer kranken Schwester Paula, die schwer atmend auf der Seite lag und der es offensichtlich sehr schlecht ging.
»Was für eine erstaunliche Leistung für so ein kleines Tier, zu merken, dass es überfordert ist und Hilfe braucht. Dass es sich dafür auf unbekanntes Terrain wagt, um den großen Menschen zu finden und ihn dazu zu bringen, dass er mitkommt.
Als hätte sie nachgedacht und Konsequenzen gezogen.«
Ich finde diese Geschichte ausgesprochen faszinierend. Von Hunden, zum Beispiel, kennt man solche Verhaltensweisen, aber von Meerschweinchen …?
Paula wurde dann übrigens noch einmal gerettet, starb aber nicht viel später.
Putzi bekam zwei neue Mitbewohner, diesmal aus dem Tierheim. Sie wurde elf Jahre alt.
Für Max sind Meerschweinchen auch heute noch die Haustiere der Wahl. Zur Zeit hat er vier davon. Wenn er beruflich unterwegs ist, sorgt eine Nachbarin für die Tiere und stellt ihnen ihr Gemüse hin.
Und wenn er eine Weile nicht reisen muss, fragt sie nach: »Wann fährst du endlich wieder weg?«